Carita Schmidt
Die in Berlin lebende, international agierende deutsch-finnische Künstlerin Carita Schmidt vereint in ihrem vielschichtigen Werk verschiedenste Medien und zeigt in ihren Arbeiten auf unterschiedlichste Weise ihre Faszination für Bewegung, Licht und Raum. Ihren Fokus richtet sie darauf, den Zeitgeist zu reflektieren, Strukturen der Gesellschaft zu spiegeln und den Blick für neue Sichtweisen zu schärfen, um zum Dialog anzuregen.
Charakteristisch für das künstlerische Werk Carita Schmidt’s sind Bildserien, in welchen sie ihre Gedanken und Emotionen malerisch verarbeitet. Jedes Werk ist in sich abgeschlossen, bietet jedoch Anregungen für Weiterentwicklungen. Oftmals arbeitet die Künstlerin gleichzeitig an zwei Werkgruppen. So entstanden parallel die Serien Dream Builder und Untitled, die abstrahierte, sich in Bewegung befindende Landschaften zeigt und Bezug nimmt auf unser sich ständig in Bewegung und Veränderung befindendes Leben.
In der Serie Dream Builder vereint sie Strich und Kurve und möchte, wie sie selbst ausführt „zum einen Bezug nehmen auf das aktuelle Geschehen in der Welt, zum anderen auf sich selbst.“ Dadurch kann die Serie mit Begegnungen, Erfahrungen, Erinnerungen, dem Suchen und Finden assoziiert werden. Die Arbeiten beschreiben dieses „sich durch die Welt bewegen“ und stellen den Versuch dar, die Schritte der Künstlerin festzuhalten und aufzuzeichnen. Diese Schritte wurden - so Carita Schmidt - zu Bahnen, Routen, Kurven, und fingen an Muster zu bilden, die einem Code oder einer Geheimschrift gleichen. Aus einem manchmal auf den ersten Blick unstrukturierten Chaos von Linien entstand eine neue Dynamik, die den Betrachter anregen soll, sich gedanklich in Bewegung zu setzen.
Während der Entstehung der Serie Dream Builder beobachtete Carita Schmidt die Tendenz, einer einmal gezeichneten Bahn wieder und wieder zu folgen, sich also stets in der gleichen Bahn zu bewegen und es bedurfte einer inneren Entscheidung, der Wiederholung auszuweichen und ein neues Muster oder System zu entwerfen. Sie schloss daraus, dass das Folgen dieser Bahnen etwas vom Verhaltensmuster des Menschen beinhaltet, vorhandenen Wegen zu folgen und es innerer Stärke bedarf, gewohnte Muster von Verhaltensweisen zu hinterfragen und zu ändern.
Nicht das Abbilden von Natur ist es jedoch, was die Künstlerin interessiert, sondern die abstrakte Idee dieser. Um den Betrachter einen Eindruck von Freiheit, Grenzenlosigkeit, von unendlichem Raum zu vermitteln, überlagert Carita Schmidt in der Serie Untitled abstrakte Naturformationen wie transparente Bilder, um Räume mit Weite, Licht und Tiefe zu schaffen, wie in ihrer Arbeit Untitled (Grenzenlos).
Andrea R. Stoll Kunsthistorikerin, 2017
Imaginative Views
Carita Schmidt, bewegt sich seit langem schon zwischen den Polen des „Aussen“ und „Innen“,
den Bedingungen menschlicher Existenz und natürlicher Präsenz. Sie hat dieses Spannungsfeld
sinnlicher Befindlichkeit beschrieben in früheren Performance-Projekten wie "Adamah“, in
grafischen Arbeiten wie „Adamah/frictions“ oder in „Tod, Liebe, Leben“.
Ihre Arbeiten gehen dabei über einen gewöhnlichen Realismus hinaus, werden eine zweite Haut über der Realität, die sie beschreibt, quasi eine Zwichenschicht, die sich über die jeweiligen Objekte von Wahrnehmung und Beschreibung legen.
Carita Schmidt, die seit 2012 in Berlin lebt und arbeitet, bringt vielerlei internationale Einflüsse
mit – sie hat in der ehemaligen DDR, Finnland, ehemaligen BRD, Schweden und in Griechenland gelebt.
Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Europa und den USA präsentiert.
Sie ist zudem in privaten und öffentlichen Sammlungen in Europa, USA und Mexiko vertreten.
Carita Schmidt hat auf Einladung der Galerie Kuhn & Partner die Ausstellung „Imaginative
Views" für
das Hotel Scandic konzipiert.
Auszug aus einem Text von Thomas Hegemann, 26.2.2015
CARITA SCHMIDT - EIN KÜNSTLERISCHES THEMA IN SERIEN "TOD, LIEBE, LEBEN" – "ADAMAH" -"FRIKTIONEN" - "MO-VE-MENTS"
Carita Schmidt, schwedisch-finnische Künstlerin, 1958 geboren, wuchs in Deutschland, Finnland und Schweden auf. Von 1990 bis 2011 lebte und arbeitete sie als Künstlerin in Griechenland. Seit 2012 ist sie in Berlin freischaffend tätig. In ihren Werken und Ausstellungen als international agierende Künstlerin kommen verschiedene Künste, Sprachen und Kulturen zum Ausdruck.
Ihr vielschichtiges Werk zeigt ihre Faszination für Bewegung und deren figürliche Darstellung. Schnörkellos, ohne Spektakel unnötiger Linien
verkörpern ihre Bilder Tiefe, Dichte und Substanz. Die Grenzen von Malerei und Zeichnung gehen oft fließend ineinander über.
Großformatige Kohlezeichnungen auf Papier, Ölmalereien auf Leinwand, kleinformatige Aquarellstudien und filigrane Reliefs gehören zu ihrem Repertoire. Mit nur wenigen Strichen vermag sie, die menschliche Körperdynamik zu vermitteln. Die Einzigartigkeit des Menschen, seine Emotionalität und Verletzlichkeit und sein Streben nach Entwicklung steht stets im Vordergrund. Ihre menschlichen Figuren bewegen sich zwischen euphorischem Leben und kontemplativer Stille.
Seit 2000 bearbeitet und verarbeitet die Künstlerin ihre Gedankenflut zu Bewegungen und Metamorphosen mit immer neuen, verblüffenden Nuancen. Charakteristisch für ihr gesamtes künstlerisches Schaffen sind Bildserien (ADAMAH 2001, FRIKTIONS 2011, MO-VE-MENTS 2006), die mystische und humanistische Themen aufgreifen. Jedes einzelne Werk ist in sich abgeschlossen, bietet jedoch gleichzeitig Anregung für Ergänzungen und Weiterentwicklungen.
Ein wichtiger Ausgangspunkt für ihr künstlerisches Schaffen ist das Adamah Projekt, was auf hebräisch Ackerboden bedeutet. Es besteht aus drei Hauptwerken, zu denen zwei monumentale Kohlezeichnungen ("Ta panta rhei", 150 x 530 cm, 1999; "Here I am", 150 x 330 cm, 2001) und ein Performance-Video gehören. Dieses wurde im Jahr 2000 in Philippi hergestellt. Diese antike Ruinenstadt im Nordosten Griechenlands kann allein in ihrer architektonischen Form als magischer Ort begriffen werden.
In ihrer Performance lässt die Künstlerin ein Tanzpaar auftreten, die beide mit Lehm bekleidet, bzw. damit vollkommen eingeschmiert sind. Diese
haben die Aufgabe, durch improvisatorische Choreographie in ihrem Tanz den Lebenszyklus auszudrücken, gleichwohl die sich daraus zwangsläufig ergebende Katharsis (Reinigung). Der morastartige
Boden des Tanzbereiches besteht ebenfalls aus Lehm.
In einer dynamischen Bewegung verschmelzen Raum, Zeit und Körper. Entstehende Figuren und Strukturen haben keinen Bestand. Das Dazwischen- und das Aussersichsein lösen sich rasch in Körperfragmente auf. Die autonome Wirkung des Materials Ton/Lehm/Schlamm mit seinen haptischen und optischen Qualitäten demonstriert eindrücklich die Eigenständigkeit natürlicher Phänomene, wie Erde, Schlamm, Wasser und Wind. Als Ausdrucksmittel für Lebendigkeit, Unwägbarkeit und Geschichtslosigkeit übermitteln sie keine Informationen, sondern müssen erfahren werden.
In der Aktionskunst (Performance) ist der Körper das wichtigste Kommunikationsmittel. Er ist Informationsträger des sozialen, kulturellen und politischen Verhaltens. Aus psychoanalytischer Sicht wird er zum Werkzeug, um unbewusste und verdrängte Ängste freizusetzen. Er ist Spiegel schlimmster Exzesse und Grausamkeiten in der Gesellschaft. Als "schamanistisches" Objekt, das menschliches Leid absorbiert, wird der Körper zur Metapher der Heilung. Verdrängte und abgelehnte Gefühle können sich in der symbolisch-orgiastischen Verwendung von Blut und Exkrementen äußern. Kunsthistorisch gab es derartige Veranstaltungen schon in den 1960er Jahren im sog. Wiener Aktionismus (Otto Mühl) oder 1963 das Fest des psycho-physischen Naturalismus (Hermann Nitsch).
Der Kunst stellt sich die Frage, wie man eine in Bewegung befindliche Geste festhalten kann, die sich im Moment der Rezeption längst schon verflüchtigt hat. Die Faszination dieser Frage hat seit Jahrhunderten die Künstler angespornt, das tänzerische Element in Plastik und Malerei zu übertragen. Kunsthistorisch betrachtet bestanden in der Vergangenheit stets entsprechende Annäherungen, wie beispielsweise die Fluxusbewegung in den 1950er Jahren. Erwähnenswert in Verbindung zum Tanz sind auch die im selben Zeitraum stattfindenden Entwicklungen in der Malerei durch den französischen Tachisten Georges Mathieu, der 1958 für seine ersten body prints mit Pigment beschmiert über Leinwände kroch. Ähnliches findet sich auch bei Yves Klein und Jackson Pollock u.v.a. Ursprünglich geht diese Idee auf eine alte Tradition japanischer Künstler zurück. Die Gutai Gruppe um Atsuko Tanaka verstanden sich als "lebende Pinsel". Sie sprangen durch Papierwände, schleuderten Farben auf am Boden liegende Leinwände und arbeiteten mit Licht und Leuchten wie im "elektrischen Kleid" von Tanaka (1958). "Die gutai-Kunst verändert und verfälscht nicht das Material, sondern verleiht ihm Leben. In der gutai-Kunst reichen sich der menschliche Geist und das Material die Hand" (Gutai Manifest 1956)
Die Präsentation der großformatigen Papierarbeiten von Carita Schmidt erfordern besondere Räumlichkeiten. Mit dem Titel "TOD, LIEBE, LEBEN" (2013) beginnt die Künstlerin einen thematischen Neuanfang. Sie zeigt Werke, in denen sich der Mensch mit dem Planet Erde und seiner Natur in Einklang befindet. Dies spiegelt sich in Formen, Farben und Farbklängen wider. Das Video zu Adamah wurde 2012 musikalisch überarbeitet. In den beiden Skulpturen aus Plexiglas wird das Tänzerische in die Plastik übertragen. Die Figuren der Kohlezeichnungen scheinen den Betrachter fast zu berühren.
Die verschiedenen Medien sollen neue Dimensionen des Erlebens und Erfahrens eröffnen. Während Film und Video die reale Bewegung inszenieren, wird im
Bild die Bewegung in erfahrungsfremde Sinnzusammenhänge gebracht. Dazu kommt die Lust am Fiktiven und am Spiel mit der Illusion. Die filmische Aufnahme einer Aktion bietet die Möglichkeit, der
Vergänglichkeit der Zeit zu entkommen. Mit Zeichnung, Malerei, Skulptur und Video liegt die Aktion "Adamah" auf einer anderen Zeitebene. Eine neue Wirklichkeit entsteht. Jede Art einer
Bestandsaufnahme bedeutet zugleich den Tod einer Aktion, sichert ihr aber auch das Überleben. Ist die Aktion einmalig, hat sie den Anspruch auf Gültigkeit.
Dr. Ulrike Oppelt, Kunsthistorikerin, Berlin, 2013
Adamah and Frictions
In two separate series, ”Adamah” and “Frictions,” Carita Schmidt unites two sides of her art: the body and light in motion. There is a striking contrast between the series, at the same time as there is a subtle opening for dialogue between them. Carita’s work is many-faceted and can be interpreted on a multitude of levels. Each line and brushstroke holds a meaning that adds something to the work as a whole.
“Adamah” explores the human body in motion. The viewer is drawn into the ecstatic patterns of movement of the charcoal figures. The drawing is sure, and the play of lines which returns in “Frictions” is powerful. We go from being viewers to becoming a part of the work of art when the impulse to dance is transmitted to our bodies. The clay that covers the dancers’ bodies and that holds them to the earth creates associations to those preserved human forms that have been uncovered in Pompeji, Italy.
In a performance that Carita organized in the ancient ruins of Philippi in northeastern Greece, she lets the dancers come to life and engage in exploring each other’s bodies. In her performance she represents the human drive and will to create, destroy, and derive new perspectives through catharsis (purification), a process which continually repeats itself. One of the works is entitled “I am—in other words, I live,” and it is part of a series called “Einai” (to be involved in all the complexities that life engenders). The clay unites the dancers, and at times their bodies seem to melt together into one common form. A suggestive interplay is created between the dancers and their drawn alter egos.
“Carita Schmidt defines the profound cycle of existence with moving, evolving bodies caught in a state of organic rapture and ecstasy. Perhaps frozen in a baroque state of accelerated metamorphosis, forms, shapes, and materials that generate, decay, and regenerate in dances of exuberance and blissful tragedy.”
(Antony Di Maggio, Brooklyn, New York)
The focus of “Frictions” is on the light of the Mediterranean Sea. The works in the series bathe in this light, which moves the viewer to step back. The composition in all the paintings is the same, while the colors vary. The point of departure for the series is a work which makes the beholder think of a medieval tapestry. The painting displays similarities with the works of such abstract expressionists as Jackson Pollock and Lee Krasner. The play of light in this work returns in the other paintings in the series.
Carita combines her skilled craftsmanship with a humanistic depth which invites contemplation. With surely drawn charcoal lines she gives life to her figures in the same way as she lets her brush recreate the frictions of light.
Gustav Beijer, Ph.D. student at the Department of Art History, Uppsala University 2011, Sweden.
Translated by Liz Kella, Asc. Professor, Department of English, Södertörns University 2011, Sweden.